Landtagswahl 2022 – Brennpunkt Kommunalfinanzen

Landtagswahl 2022 – Brennpunkt Kommunalfinanzen

Die Landtagswahl stellt mit die Weichen, wohin sich die Grundfinanzierung der Kommunen entwickeln wird. Also klar, dass DieISERLOHNER nachgefragt haben, was die Parteien zur Verbesserung der Haushaltssituation der Städte tun wollen, sollten Sie gewählt werden. Wir bedanken uns bei den angeschriebenen Kandidaten Thorsten Schick (CDU), Anja Ihme (SPD), Alexander Lilienbeck(FDP), John Haberle (Die GRÜNEN) und Nancy Wolff (Die Linke), dass sie sich trotz ihres anstrengenden Wahlkampfes die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten. Hier finden Sie unsere Fragestellung und direkt darunter die Antworten der Kandidaten. So können Sie sich selbst ein Bild davon machen, welches Konzept für Sie das tragfähigste ist.

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Wählergemeinschaft, die sich nicht selbst zur Wahl stellen kann, stehen unsere Mitglieder bzw. unsere Wählerschaft vor der Entscheidung, welchem/-er heimischen Kandidaten/-in diesmal die Stimme gegeben werden sollte. Von elementarer Bedeutung ist dabei Ihre Position zur Frage der Gemeindefinanzierung.

Bekanntlich befinden sich die Finanzen unserer Stadt in einer gefährlichen Schieflage. Diverse bereits beschlossene Gebührenerhöhungen, geplante Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen in einer Größenordnung von ca. 10% sowie die sich abzeichnende massive Anhebung der Grundsteuer B reichen leider nicht aus, das seit mehr als 10 Jahren regelmäßig zu verzeichnende strukturelle Haushaltsdefizit zu verhindern. Das liegt unter anderem daran, dass die Stadt für die von ihr zu erbringenden Pflichtaufgaben nicht ausreichend im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs entschädigt wird.

Gesetzt den Fall, Sie kämen nach der Landtagswahl in Regierungsverantwortung, mit welchen konkreten Ideen und Vorstellungen würden Sie dazu beitragen wollen, dass die Landesregierung ihrer Verpflichtung nachkommt, für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen?

Wir bitten Sie, uns Ihre Ansichten zu diesem Thema bis zum 2. Mai 2022 mitzuteilen, damit wir unsere Mitglieder, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger entsprechend informieren können. Herzlichen Dank!

Hier nun die Antworten der Kandidaten:

 

Thorsten Schick (CDU)

Sehr geehrte Herr Tölle,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Kommunalfinanzen. Ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

Nur finanziell handlungsfähige Kommunen können für die Bürgerinnen und Bürger die notwendige Infrastruktur vorhalten. Wohnortnahe Kindergärten, gut ausgestattete Schulen, Schwimmbäder, Theater oder saubere Innenstädte – dies und viele weitere Aufgaben, Einrichtungen und Hilfsleistungen finanzieren die Städte und Gemeinden aus ihren Einnahmen. Eine ausreichende Finanzierung der Kommunen ist daher ein ganz elementarer Bestandteil guter Landespolitik.

Die CDU-geführte Landesregierung hat deshalb einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Kommunalfinanzen in NRW unternommen. Hervorheben möchte ich die massiv gestiegenen Zuweisungen im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Die Gesamtzuweisungen an die Stadt Iserlohn sind seit 2017 um mehr als 42 Prozent gestiegen von 45.285.800 Euro im Jahr 2017 auf 64.655.500 Euro im Jahr 2022. Dazu haben neben den allgemein gestiegenen Schlüsselzuweisungen auch die Einführung einer neuen Aufwands- und Unterhaltungspauschale im GFG 2019 sowie die Einführung differenzierter Hebesätze im GFG 2022 beigetragen. Beide Maßnahmen stärken besonders uns als kreisangehörige Stadt. Darüber hinaus hat das Land während der Corona-Pandemie zahlreiche Förderprogramme und Hilfsmaßnahmen aufgelegt, von denen auch die Stadt Iserlohn profitiert hat. Dazu zählen Unterstützungen im Bereich von Kitas und Schulen, des ÖPNV oder auch des Kulturbereichs. Diesen kommunalfreundlichen Kurs wollen wir als CDU auch nach der Wahl weitergehen.

Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die Kassenkredite dennoch enorm auf die Handlungsfähigkeit Iserlohns und der Kommunen allgemein drücken. Gerade die kleinteilige, ressortbezogene strikte Konnexitätsregel in Nordrhein-Westfalen behindert noch eine ganzheitliche Behandlung der Herausforderungen. Deshalb wollen wir eine Kommission unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände einsetzen, die sich mit der Erfassung aller Konnexitätsausgleiche befasst. Außerdem treten wir für eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer ein: Da, wo sie anfällt, sollte sie auch vereinnahmt werden. Nicht zuletzt werden wir auch dazu beitragen, dass die Verschuldung über die Kassenkredite zurückgeführt wird. Dazu brauchen wir dringend ein bundesweites Entschuldungskonzept für die Kommunen. Langfristig bleiben die Städte und Gemeinden aber nur finanziell handlungsfähig, wenn Bund und Land eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen und die Kommunen eigene Strukturen und Ausgaben hinterfragen.

Abschließend möchte ich betonen, dass gerade die jetzige Flüchtlingssituation, ausgelöst durch den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, natürlich auch Iserlohn vor enorme finanzielle Herausforderungen stellt. Wir leiten die zur Verfügung gestellten Bundesmittel deshalb 1:1, das heißt direkt und in voller Höhe, an die Kommunen weiter. Unsere Zusage zur Unterstützung gilt gerade in dieser Lage – und zwar ohne Wenn und Aber.

Mit freundlichen Grüßen 

Thorsten Schick

 

Anja Ihme (SPD)

Sehr  geehrter Herr Tölle,

sehr geehrte Mitglieder der Wählergemeinschaft DieISERLOHNER e.V.,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an unserem Wahlprogramm der NRWSPD, welches Sie in aller Ausführlichkeit hier nachlesen können.

Ihre berechtigte Frage nach der Finanzierung der Kommunen wird besonders in dem Kapitel HANDLUNGSFÄHIGE KOMMUNEN GARANTIEREN LEBENSWERTE HEIMAT“ mit allen – in dieser Frage verwurzelten – Querschnittsaufgaben – beantwortet.

Eine Antwort in Kurzform und ganz konkret:

Auf die berechtigte und konkrete Frage bzgl. der ausreichenden finanziellen Ausstattung bezogen, ist es Gesetz in NRW, dass das Land das Konnexitätsprinzip einhält, also die Leistungen auch vollständig bezahlt, die es bei den Kommunen bestellt.

Wir werden sicherstellen, dass das eingehalten wird.

Auch die Leistungen der Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen müssen finanziell abgesichert sein.

Dies gilt auch für vorbereitende Maßnahmen, die evtl. später -durch nicht planbare Situationen – nicht vollständig genutzt werden können.

Unsere Kommunen müssen insgesamt von den Altschulden entlastet werden.

Der Bundeskoalitionsvertrag hält fest, dass der Bund sich an einer Lösung beteiligen will.

Die NRWSPD möchte die Kommunalfinanzen auf neue Beine stellen.

Die Vielfalt an Förderprogrammen für kommunale Maßnahmen muss aus unserer Sicht dringend evaluiert und vor allem vereinfacht werden.

Hoher personeller und bürokratischer Aufwand und finanziellen Eigenanteile hemmen das Ausschöpfen vorhandener Gelder und schaffen ein weiteres Ungleichgewicht zwischen den Kommunen verschiedener Größe mit individuellen Standortbedingungen.

Viele Mittel der Förderprogramme könnten sicherlich auch direkt an die Kommunen ausgezahlt und später, durch möglichst unkomplizierte Verwendungsnachweise, belegt werden.

Leider kann in schriftlicher Form und in der Schlagzahl eingehender Anfragen im Wahlkampf aus meiner Sicht oft nicht individuell genug, auf vorhandene und sehr berechtigte Fragen, eingegangen werden.

Das bedauere ich sehr, denn es gibt sicherlich viele weitere spannende und dringende Themen für unsere gemeinsame Zukunft.

Ich hoffe Ihnen aber mit den angegebenen Quellen, „Lust auf noch mehr Antworten“ in unserem Wahlprogramm gemacht zu haben und verbleibe mit besten Grüßen

Anja Ihme 
Stadtverbandsvorsitzende
Vorstand UB Märkischer Kreis
Mgl. Landesvorstand und Delegierte Bundesausschuss AfB
Landtagskandidatin WK 121

 

Alexander Lilienbeck (FDP)

Liebe DieISERLOHNER,

Ich danke für diese Gelegenheit, zu einem wichtigen Punkt in unserem FDP Wahlprogramm etwas weiter ausholen zu können.

Ich bin überzeugt, dass viele Entscheidungen am besten auf kommunaler Ebene getroffen werden können. Nichts anderes ist durch den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung auch in unserer Verfassung verankert. Dieser Grundsatz darf nach meinem Dafürhalten nicht durch eine magere Finanzausstattung oder durch kleinteilige Fördertöpfe mit engen Förderbedingungen ausgehöhlt werden. Kommunen sollten wieder in der Lage sein, aus eigener Kraft ihre Aufgaben zu bewältigen und Schwerpunkte setzen zu können.

Wir wollen dafür sorgen, dass Kommunen für die Zukunft lebenswert und handlungsfähig bleiben. Dafür sind vor Ort Spielräume und Entscheidungsfreiräume ebenso notwendig wie eine Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten der Kommunen.

Bereits vor Corona war die finanzielle Lage vieler Kommunen angespannt. Diese Situation hat sich vielerorts weiter zugespitzt, hinzu kommen Schäden in Folge des Hochwassers. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Städte und Gemeinden dabei nicht alleine gelassen, sondern ihnen trotz wegbrechender Steuereinnahmen Planungssicherheit und eine finanzielle Absicherung zukommen lassen.

Davon unabhängig wollen wir den Finanzanteil der Kommunen an dem Einnahmeaufkommen des Landes von derzeit 23 Prozent auf 25 Prozent erhöhen.

Wir wollen die Finanzbeziehungen verändern und dafür sorgen, dass Kommunen mehr Planungssicherheit erhalten. Momentan sind Kommunen wesentlich von der Gewerbesteuer abhängig. In Boom Zeiten sprudeln die Einnahmen, in schlechten Zeiten entstehen oft Löcher im Haushalt. Deswegen wollen wir die Gewerbesteuer langfristig durch einen höheren, kommunalen Anteil an der Mehrwertsteuer ersetzen. Das würde die Kommunen von konjunkturellen Schwankungen unabhängiger machen.

Zudem sollen Kommunen eigene Hebesätze auf die Körperschafts-, die Lohn- und die Einkommensteuer beschließen können. Das würde einerseits die kommunale Selbstverwaltung stärken, anderseits die Transparenz für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erhöhen. Hier würde für sie sofort sichtbar, wofür sie jeweils ihre Steuern zahlen müssen.

Mit der Einführung einer kommunalen Schuldenbremse soll Kommunen ein Werkzeug gegeben werden, sich langfristig zu nachhaltigerem Haushalten zu verpflichten. Das ist u.a. ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

Der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ soll wichtige Impulse setzen – Altschulden abbauen und Investitionsfähigkeit erhalten. Die diesbezüglichen Vorhaben der neuen Bundesregierung unterstützten wir daher ausdrücklich.

Für diesen kommunalfreundlichen Kurs möchte ich nach der Wahl weiter einsetzen.

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung!

Beste Grüße.

Alexander Lilienbeck

 

John Haberle (Die GRÜNEN)
Dienstag, 26. April 2022
Antwort Fragen LTW 22 Die Iserlohner

Konkrete Ziele und Maßnahmen

• Um die kommunale Selbstverwaltung und Investitionsfähigkeit
flächendeckend wieder herzustellen und dauerhaft zu verbessern,
streben wir eine Altschuldenlösung für die „unechten“ kommunalen
Liquiditätskredite (sog. Kassenkredite) in Höhe von knapp 20
Milliarden Euro an.

• Unser Modell eines Altschuldenfonds würde dafür sorgen, dass die
Tilgung der kommunalen Altschulden (Kassenkredite in Höhe von rund
20 Milliarden) auf einen im Wesentlichen vom Land (und dem Bund)
getragenen Fonds übergehen würde. Die Kommunen müssten dann
„nur noch“ einen Eigenanteil tragen. Dieser könnte sich z.B. an der
Höhe der bisherigen Zinsbelastung orientieren.

• Wir wollen die kommunalen Investitionen in eine zukunftsfähige
Infrastruktur stärken. Dazu wollen wir es Kommunen leichter
ermöglichen, Kredite für zukunftsnotwendige und rentierliche (sich
selbst refinanzierende) Investitionen aufzunehmen. Voraussetzung
hierfür ist, dass Zinslast getragen und die jährlichen bilanziellen
Abschreibungen erwirtschaftet werden können. Denn unter diesen
Voraussetzungen bleiben Investitionskredite nicht nur bilanzneutral
(den Schulden steht ein ebenso hohes Vermögen gegenüber), durch
die Erwirtschaftung der bilanziellen Abschreibungen haben die
Kommunen (bei einem ausgeglichenen Haushalt) auch dauerhaft die
notwenigen liquiden Mittel um die geschaffene Infrastruktur zu erhalten
und zu erneuern.

• So ermöglichen wir auch mehr kommunalen Klimaschutz, denn
kommunale Planungen und Konzepte zu Klimaschutz und
Klimaanpassung sind für uns Teil der Daseinsvorsorge, also eine
hoheitliche Pflichtaufgabe, die unabhängig von der allgemeinen
Kassenlage erfüllt werden muss.

• Im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes, der
unterschiedlichen Förderprogramme und im Rahmen des
Konnexitätsgesetzes statten wir unsere Kommunen mit mehr eigenem
Geld und Personal aus.

• Wir werden verhindern, dass Städte, Kreise und Gemeinden durch die
Covid19-Pandemie dauerhaften finanziellen Schaden erleiden, der ihre
dringend benötigte Investitionsfähigkeit zusätzlich belastet. Schulden,
die das Land unseren Kommunen über die kreditierten Coronahilfen
zusätzlich aufgebürdet hat, werden wir über den Landeshaushalt
finanzieren.

• Zusätzliche Aufgaben, die wir den Kommunen übertragen, werden wir
in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden auskömmlich
finanzieren. Gleiches erwarten wir vom Bund. Die Einhaltung der
Konnexität wird zwingende Grundlage für unsere Zustimmung bei
Bundesratsgesetzen sein.

• Neben der Frage der allgemeinen Finanzausstattung werden wir auch
die immer unübersichtlichere Förderlandschaft reformieren. Neben der
inhaltlichen Überprüfung der Programme in Bezug auf die Ziele
Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Gleichstellung werden wir mehr
Transparenz und Handhabbarkeit in die Förderlandschaft bringen.
Dazu bündeln und verstetigen wir Programme, vereinheitlichen
Förderkriterien und überprüfen Eigenanteilsregelungen.

• Damit die Kommunen Förderprogramme auch abrufen und abarbeiten
können, werden wir die Kosten für das Projektmanagement, wie z.B.
interne Personal- oder IT-Kosten, zumindest teilweise förderfähig
machen. Kommunen können Kosten für Planung oder
Bürgerbeteiligung dann zumindest anteilig aus den Fördermitteln
begleichen.

• Die von Schwarz-Gelb 2022 eingeführte Ungleichbehandlung der
kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums im Rahmen des
Gemeindefinanzierungsgesetzes werden wir rückgängig machen und
statt dessen eine angemessene Finanzausstattung für alle Kommunen
sicherstellen.


Probleme / Zielkonflikte und Lösungsansätze

• Die Lösung der Altschuldenfrage stellt uns vor einige Probleme und
Abwägungsentscheidungen. Zunächst ist die Frage der
Bundesbeteiligung zentral. Natürlich wäre es im Sinne NRWs, wenn
sich der Bund an einem Altschuldenfonds maßgeblich beteiligt, so wie
es der Koalitionsvertrag der Ampel in Aussicht stellt. Die Gretchenfrage
bleibt hierbei, ob der Bundesrat und damit auch die Bundesländer
ohne kommunale Altschulden (Kassenkredite) eine Bundesbeteiligung
mitträgt. Als GRÜNE haben wir jedoch immer den Standpunkt
vertreten, dass das Land notfalls auch eine Lösung ohne
Bundesbeteiligung vorlegen muss. Ein reines Landesmodell würde
natürlich für das Land NRW ungleich teurer.

• Neben der Frage der Bundesbeteiligung und der Unterstützung durch
die nicht betroffenen Bundesländer ist zu beachten, dass auch in NRW
nicht alle Städte und Gemeinden gleichermaßen von einer Lösung der
Altschuldenfrage profitieren, sondern in Abhängigkeit von der Höhe der
Altschulden. Auch die wenigen Städte und Gemeinden in NRW ohne
Altschulden, gehen bei dieser Maßnahme leer aus. Vor diesem
Hintergrund wird die Akzeptanz der schuldenfreien Kommunen
sicherzustellen sein. Ggf. wird auch über eine „Kompensation“ an
anderer Stelle diskutiert werden müssen. Aber auch Kommunen, die
Altschulden mit sich herumschleppen, können heute zu den sog.
abundanten Kommunen (Kommunen deren Steuerkraft den
Finanzbedarf übersteigt) zählen. Hier wird zunächst die Frage zu
beantworten sein, ob auch (inzwischen) abundante Kommunen bei der
Altschuldenfrage gleichermaßen berücksichtigt werden können. Hierfür
sprechen wir GRÜNE uns mit unserem bisherigen Modell für einen
Altschuldenfonds aus. Der kommunale Eigenanteil richtet sich hier
nach der Höhe der Zinslast (also indirekt an der Höher der Kredite).
Denkbar ist hier aber z.B. auch eine Orientierung der Höhe des
Eigenanteils an der aktuellen Finanzkraft. Ein solches Modell würde
die heute abundanten Kommunen stärker belasten. Eine Entscheidung
in dieser Frage kann wiederum Einfluss auf die Frage der
Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs im Rahmen des
GFG haben und damit auf die Sicherstellung einer angemessenen
Finanzausstattung aller Städte und Gemeinden. Denn in diesem
Zusammenhang wird seitens der finanzschwachen Kommunen und
auch Teilen der Wissenschaft (z.B. Junkernheinrich, Micosatt) immer
wieder die Forderung nach der Wiedereinführung einer
Abundanzumlage (also eines Finanzausgleichs zwischen den
Kommunen) laut. Eine gleichzeitige (Mehr-) Belastung der
finanzstarken Kommunen im Rahmen einer Altschuldenlösung und im
Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, wird jedoch schwer zu
vermitteln sein.

• Neben der Frage der Abtragung der Schulden, muss auch die Frage
geklärt werden, inwieweit die Kassenkredite bis zu ihrer vollständigen
Tilgung in den Bilanzen der Kommunen verbleiben oder im Rahmen
eines Gläubigerwechsels auf andere Gläubiger (z.B. Land, Bund,
Fonds) übergehen können. Ein Verbleib der Kredite in den
kommunalen Bilanzen würde für viele Kommunen bedeuten, dass sie
trotz Übernahme der finanziellen Belastung weiterhin bilanziell
überschuldet blieben und damit in der Haushaltssicherung. Ein
Gläubigerwechsel auf das Land oder einen durch das Land
besicherten Fonds wiederum, würde die Verbindlichkeiten des Landes
erhöhen und hätte somit Einfluss auf dessen
Refinanzierungsmöglichkeiten. Kredite könnten für das Land teurer
werden. Das hieraus resultierende zusätzliche Kostenrisiko steigt bei
steigenden Leitzinsen. Auch in dieser Frage wäre eine Beteiligung des
Bundes enorm von Vorteil.

• Schließlich wird sicher zustellen sein, dass unsere Kommunen nicht
wieder neue überjährige Liquiditätskredite anhäufen, denen kein
bilanzielles Vermögen gegenübersteht. Das wird nur gelingen, wenn
wir auch die Fragen der angemessenen allgemeinen kommunalen
Finanzausstattung und der vermögensbildenden Investitionen
dauerhaft lösen.

• Der Kreditfinanzierung von kommunalen Investitionen setzt die heutige
Gemeindeordnung enge Grenzen. Kommunen, die über keinen
ausgeglichenen Haushalt oder über keine allgemeine
Deckungsrücklage (bilanzielle Überschuldung) verfügen, müssen auch
Investitionskredite in jedem Einzelfall mit der jeweiligen
Aufsichtsbehörde genehmigen lassen. Dies geschieht i.d.R. nur dann,
wenn sich die Investition ökonomisch rentiert. Nicht unmittelbar
geldwerter Nutzen (z.B. Klimaschutz) bleibt in dieser Betrachtung
außen vor. Um die kommunale Investitionstätigkeit auf das zum Abbau
des Investitionstaus und zur klimaneutralen Transformation
erforderliche Niveau zu heben, müssen die Voraussetzungen für die
Aufnahme von Investitionskrediten angepasst werden. Denkbar wäre
hier neben einer rein bilanziellen Betrachtung, z.B. die Einbeziehung
zukünftiger nicht zu beziffernder geldwerter Effekte, die z.B. durch die
Begrenzung klimabedingter Schäden entstehen.

• Auch die Reform der Förderlandschaft stellt uns vor Abwägungen.
Grundsätzlich wollen wir die Abhängigkeit der Kommunen von
Fördermitteln reduzieren, um die kommunale Selbstverwaltung nicht
weiter zu beschneiden. Denn grundsätzlich muss es unser Ziel sein,
dass Kommunen ihre Ziele aus eigener Kraft verfolgen können. Dies
gilt nicht nur für Investitionen, sondern auch für freiwillige Aufgaben
und Leistungen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.
Andererseits eröffnen zielgerichtete Förderprogramme für das Land
Möglichkeiten überkommunale Ziele der Landespolitik über finanzielle
Anreize auch in kommunales Handeln zu überführen. In diesem Sinne
ist die Alternative zu einer Förderung eine Verpflichtung der
Kommunen über die Festlegung pflichtiger und ggf. hoheitlicher
Aufgaben

• Jenseits des Wahlprogramms haben wir GRÜNE im Landtag versucht,
die Veränderungen im kommunalen Finanzausgleich (GFG) zu
verhindern. Eine bloße Umverteilung der Mittel löst die kommunalen
Finanzprobleme nicht und erzeugt Streit und gerichtliche
Auseinandersetzungen in der kommunalen Familie. In einer
Regierungsbeteiligung werden wir insb. von Seiten des Städtetags an
diesem Vorgehen gemessen werden. Im Zentrum wird hier die Frage
stehen, wie der tatsächliche Finanzbedarf der Kommunen im GFG
besser als bisher abgebildet werden kann. Die Einführung der
differenzierten fiktiven Hebesätze ist der (untaugliche) Versuch der
Landesregierung, diese Frage zugunsten der eigenen kommunalen
Klientel zu beantworten.

Kritik an der Landesregierung und Abgrenzung zu anderen Parteien

• Statt gleichwertige Lebensverhältnisse zu verwirklichen, wurde die.
Ungleichheit zwischen den Kommunen unter Schwarz-Gelb vor allem
in der Corona-Krise verschärft. Das Versprechen, das
Altschuldenproblem unserer Kommunen zu lösen, wurde von der
Regierung Wüst nicht eingehalten, das Gegenteil ist der Fall: Die
Schulden der Kommunen steigen seit 2020 wieder rapide an,
gleichzeitig spart die Landesregierung die Mittel aus dem
Stärkungspakt in Höhe von 450 Millionen Euro ein.
• CDU und FDP sich zu lange auf den Erfolgen der rot-grünen
Vorgängerregierung und ihrem Stärkungspakt ausgeruht. Seit dessen
Auslaufen gibt es bis heute keinen Nachfolge-Plan mit verheerenden
Konsequenzen: Die anhaltend angespannte Haushaltslage und die
großen Risiken durch schwankende Steuereinnahmen und einen
zukünftigen Zinsanstieg führen dazu, dass die Kommunen kaum
Spielraum für Investitionen haben. So haben sie keine Chance, sich
auf die nächste Krise vorzubereiten.

• Kurz vor Tore Schluss, d.h. mit dem letzten vorgelegten Haushalt und
dem dazu gehörigen Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG), hat
Schwarz-Gelb für zusätzlichen Streit um die Kommunalfinanzen und –
noch dramatischer – zwischen den Kommunen gesorgt. So sieht das
neue GFG eine Ungleichbehandlung der kreisfreien Städte einerseits
und der kreisangehörigen Städte und Gemeinden andererseits, bei der
Berechnung der Steuerkraft und des daraus resultierenden
(zusätzlichen) Finanzbedarfs vor. Zukünftig sollen die als Grundlagen
der Berechnung der Steuerkraft dienenden durchschnittlichen
Steuerhebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer für diese beiden
Gruppen separat berechnet werden. Im Ergebnis wird den kreisfreien
Städten zukünftig faktisch ein größerer Anteil ihrer Steuereinnahmen
auf die Zuweisungen des Landes angerechnet. Die kreisfreien Städte
erhalten also weniger Geld. Dieses Geld fließt im Rahmen der
Verteilung der Mittel aus dem GFG (Schlüsselzuweisungen,
Investitionspauschalen) zukünftig zusätzlich an den kreisangehörigen
Raum. Im Maximum macht diese Umschichtung für die Stadt Köln
etwa 33 Millionen Euro Mindereinnahmen pro Jahr aus.

• Die SPD steht hier in der Opposition inhaltlich nah bei uns.

Nancy Wolff (Die Linke)

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Tölle,

ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 25. April 2022 und die Möglichkeit, mich gegenüber Ihren Mitgliedern sowie Unterstützerinnen und Unterstützern in den angesprochenen Themen darstellen zu können.

Seit vielen Jahren weist meine Fraktion im Rat der Stadt auf den Umstand hin, dass entgegen aller Versprechungen im Kommunalwahlkampf solide Finanzen nicht allein durch Entscheidungen im Rat der Stadt Iserlohn erreicht werden können. Die Kommunen sind, wie Sie richtig in Ihrem Schreiben feststellen, schlicht unterfinanziert. Selbst ein Streichen aller sogenannten freiwilligen Leistungen, also der Leistungen, die eine Stadt erst lebenswert machen (z.B. Parktheater, Schwimmbäder und andere Sportangebote, etc.) wäre nicht ausreichend, um den Haushalt vor Ort auszugleichen. Dies zeigt deutlich den begrenzten Rahmen rein kommunalen Handelns.

Meine Partei und ich setzen uns daher auf Landes- und Bundesebene für eine Reform der Kommunalfinanzen ein. Die Verbundquote, also der Anteil der Steuern, der den Kommunen zufällt, muss im Gemeindefinanzierungsgesetz wieder angehoben werden. Die nun geltenden 23% sind offensichtlich nicht ausreichend. Wir streben perspektivisch eine Verbundquote von 28% an.

Zudem muss endlich die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips („Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.“) gewährleistet werden. Der für die öffentlichen Kassen ruinöse Steuerwettbewerb insbesondere im Bereich der Gewerbesteuer gehört gestoppt. Wir schlagen dazu eine Reform der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer vor. Alle unternehmerisch tätigen Menschen müssen – bei ausreichenden Freibeträgen – in die Besteuerung einbezogen werden. Sollten Gemeinden ihren Gewerbesteuersatz weit unter den Landesdurchschnitt senken müssen Abschläge bei den allgemeinen Zuwendungen folgen. Das Beispiel Monheim zeigt deutlich, wie durch Gewerbesteuer-Dumping eine einzelne Kommune der kommunalen Familie insgesamt einen enormen Schaden zufügen kann. Es darf keine „Steueroasen“ geben – auch keine kommunalen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lösung des sogenannten Altschulden-Problems. Die Schuldenlast vieler Kommunen ist mittlerweile aus eigener Kraft nicht mehr zu stemmen. Die „Kassenkredit-Falle“ droht in Kürze noch verschärfend hinzuzukommen, wenn die Zinsen steigen. Wir schlagen daher eine Übernahme der Altschulden vor, wie sie in Hessen und im Saarland umgesetzt wurde. CDU und FDP verhindern eine solche Regelung in NRW bislang vehement. Der Altschuldenfonds wird zu verschiedenen Anteilen von Bund, Land und Kommunen bedient. Hier liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, beispielsweise jeweils ein Drittel. Die Städte und Gemeinden hätten wieder Luft zum Atmen, und Bund und Land müssten sich am Schuldendienst beteiligen. Das ist nur gerecht, denn ein Großteil der kommunalen Schulden ist durch Entscheidungen in Bund und Land herbeigeführt worden.

Über eine Wahlempfehlung Ihrerseits würde ich mich freuen.

Solidarische Grüße

Nancy Wolff

DIE LINKE.
Sprecherin Stadtverband Iserlohn